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Obwohl er das Wandern erst im letzten Jahrzehnt wiederentdeckt hat, legt Frank Meyer in Berlin und Brandenburg routinemäßig viele tausend Kilometer im Jahr zurück. In meinem Interview mit Frank geht es um den Wiedereinstieg ins Wandern, die Ausbildung zum zertifizierten Wanderführer, neue Routenideen und die virtuelle Wandercommunity.

interview Frank Meyer
Interview with Frank Meyer

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Interview mit Frank Meyer: Wieso wanderst Du?

Wie kommt es, dass Du wanderst? Hattest Du immer Interesse seit der Kindheit/ bist Du immer mit der Familien gewandert? Oder hast Du eher später das Wanderglück entdeckt?

Meine Eltern sind in den 1970er und 1980er Jahren sehr viel gewandert, wir haben auch damals einige Male gemeinsam Wanderurlaub in den Alpen (Steiermark, Südtirol) gemacht und mir gefiel es als Kind und in der frühen Jugend gut. Auch in meiner Heimat, rund um Trier an der Mosel, war damals häufig Wandern als Freizeitbeschäftigung in der Familie angesagt, oft bei den damals beliebten ‚Internationalen Volkswanderungen‘ (IVV) oder auch im Rahmen von Touren des Eifelvereins.

Zwischen der Pubertät und dem ‚fortgeschrittenen‘ Alter war bei mir dann erst einmal Wanderpause angesagt und andere sportliche Betätigungen wie regelmäßiges Joggen oder Radfahren wurden mir deutlich wichtiger. Erst seit etwa 8 Jahren wandere ich wieder sehr aktiv, und dabei können es schon einmal deutlich über 100 Touren pro Jahr weit verstreut rund um meine jetzige Heimatstadt Berlin werden.

Was findest Du toll am Wandern? Anders gefragt: wieso wanderst Du?

Anfangs nach meinem ‚Restart‘ sah ich eher den sportlichen Ehrgeiz, versuchte vor allem schnell längere Strecken zurückzulegen und sprach vom ‚Speed Hiking‘, wenn ich gefragt wurde, was ich da eigentlich mache. Durchschnittsgeschwindigkeiten von 7km/h waren in dieser Phase keine Seltenheit.

Schnell erkannte ich aber, dass diese Bewegungsform aus meiner Sicht der mich umgebenden Landschaft und Natur nicht gerecht wird, weil der Fokus falsch gesetzt war. Inzwischen sehe ich mich als echter Genusswanderer, der durch akribische Planung versucht, vorab schon erdachte Routen möglichst attraktiv und angenehm zu gestalten.

interview frank meyer
Interview: Frank Meyer

Beim Wandern gefällt mir vor allem das Erleben der Natur verbunden mit dem Freiheitsgefühl und der Unabhängigkeit, die etwa beim Radfahren durch die schnellere Bewegung und die Kopplung an Wege und ihre Beschaffenheit stark eingeschränkt sind. Die besondere Atmosphäre bei langsamer Fortbewegung, etwa bei bestimmten Lichtverhältnissen zu bestimmten Jahreszeiten kann einen Waldabschnitt oder den Ausblick auf einen See, den man vorher schon oft erlebt hat, immer wieder neu und anders erscheinen lassen.

Chris’s Lieblingswege in Brandenburg

Wanderführer werden

Du bist DWV-Wanderführer und European Walk-Leader sowie zertifizierter Natur- und Landschaftsführer für die Naturparks Fläming-Havelland. Was heißt das? Was musstest Du dafür tun?

Vor knapp zwei Jahren, im Sommer 2020, habe ich eine kompakte etwa zweiwöchige Ausbildung dazu absolviert. In dieser zusammenhängenden Schulung lernte ich in Theorie und Praxis alles über die Grundzüge, die notwendig sind, um Gruppen von Teilnehmern sicher, informativ, unterhaltend und inspirierend auf Wanderungen mitzunehmen.

Die Themen im Bereich der Wanderführerausbildung umfassten dabei nicht nur solche naheliegenden wie Planung und Orientierung, sondern dienten auch dazu, Kenntnisse zur richtigen Ausrüstung, der Einschätzung des Wetters und Verhalten bei Gefahrensituationen zu erlangen. Ebenso lernte ich einiges über Kommunikation und Führungsdidaktik, musste mich mit Aspekten zu Recht und Versicherung auseinandersetzen und erfuhr vieles zur richtigen (Selbst-)Vermarktung und der dafür nötigen Pressearbeit.

Im Rahmen der Natur- und Landschaftsführung ging es dann eher um die allgemeine und die lokale Geologie, Ökologie, kulturgeschichtliche Aspekte sowie Grundzüge von Flora und Fauna im Kontext vor Ort.

zu den drei quellen der spree
Frank’s pick for the best hikes in Germany 2021: to the three sources of the Spree River

Neue Routen kreieren

Kreierst Du neue Wege, die eine Markierung bekommen? Wie geht das? Worauf muss man besonders achten beim Entwerfen neuer Wege?

Nein, ich selbst erstelle keine neu markierten Wege. In der Regel ist so etwas mit sehr viel Aufwand, Abstimmung und hohen Kosten verbunden. Man muss sich vorstellen, dass mit jeder Gemeinde entlang des Weges der Verlauf geklärt werden muss und jederzeit ein ‚Veto‘ erfolgen kann, wenn lokale Interessen zu Komplikationen führen. Außerdem ist zu bedenken, dass bei jedem markierten Wanderweg auch die Verkehrssicherungspflicht gilt. Das bedeutet, dass diese Wege regelmäßig auf ihre Sicherheit kontrolliert und nach Stürmen von umgefallenen Bäumen befreit werden müssen.

wandern berlin brandenburg
Frank runs the website wandern-berlin-brandenburg

Ganz im Gegenteil plädiere ich sehr für die ‚Virtualisierung‘ der Markierungen und für eine zentrale Datenbank. Da die meisten Wanderer heutzutage mit dem Smartphone unterwegs sind, haben aus meiner Sicht übertriebene Beschilderungen und Markierungen kaum noch einen Mehrwert. Mit dem gesparten Geld lassen sich dann weitere ‚Waldmöbel‘ (Bänke, Tische, Rastplätze) finanzieren.

Du bist in den letzten Jahren und dieses Jahr dabei, vermehrt entlang von Flüssen in Brandenburg zu wandern. Wie kommst du auf solche Ideen?

Mir gingen tatsächlich etwas die Ideen aus, da ich in den letzten Jahren bereits alle Fernwanderwege und alle anderen längeren, zusammenhängende offizielle Wanderrouten in Brandenburg gewandert war. Bei den größeren Flüssen wie der Spree und der Havel hat mich vor allem gereizt, die Veränderungen in der Umgebung des Gewässers in seinem kompletten Verlauf wahrzunehmen. Leider musste ich oft Radwege entlang der Flüsse nutzen, es waren aber auch immer wieder wunderbare naturbelassene Abschnitte dabei.

Für dieses Jahr habe ich mir ebenfalls wieder zwei kleinere Flussprojekte vorgenommen. Diese werden mich entlang der Schwarzen Elster und entlang der Neiße durch das südliche Brandenburg, durch Nordsachsen und auch ein wenig nach Tschechien hinein führen.

Wie hat Corona das Wandern geändert?

Wie hat Corona das Wandern in Brandenburg beeinflusst?

Man kann ganz klar sagen, dass die Wanderaktivitäten speziell um die Ballungsräume (Berlin, Potsdam) stark zugenommen haben mangels Alternativen zur Freizeitgestaltung in entfernten Urlaubsgebieten. Einerseits ist es schön, dass dadurch viele Bewohner ihre nähere Umgebung besser kennengelernt haben, anderseits merke ich als Vielwanderer, dass nun einige Gegenden, die vorher noch echte ‚Geheimtipps‘ waren, nun an Wochenenden total überfüllt sind. Gerade rund um Großstädte wird sicher immer wichtiger werden, dass touristisch neue und alternative Ziele beworben werden und deren Infrastruktur gut skalierbar erweitert wird.

hiking in Brandenburg
Interview: Frank Meyer

Die Staffelwanderungen, die Du bei komoot planst, klingen spannend. Was ist und wie funktioniert eine virtuelle Staffelwanderung?

Ich hatte die Idee dazu vor etwa zwei Jahren, als die ersten Corona-Kontaktbeschränkungen in Kraft traten. Von da ab waren meine monatlich veranstalteten Gruppenwanderungen nicht mehr möglich und ich suchte nach einer Lösung, um weiterhin den ‚Community-Gedanken‘ aufrecht zu erhalten.

Bei den ‚Virtuellen Staffel‘ geht es darum, dass jeder Teilnehmer einen Abschnitt einer Gesamtstrecke übernimmt und sich am Ende aus allen Teilstrecken – ganz im olympischen Geist – in der Summe eine große gemeinschaftliche Leistung ergibt. Bei meinen ersten ‚Tag-für-Tag‘-Ausgaben gab es noch keine Vorgaben bis auf den Startpunkt, der sich jeweils aus dem Endpunkt des vorherigen Teilnehmers ergab. So wusste man erst am Vorabend, wo man am Folgetag starten muss, was natürlich viel Spannung mit sich brachte.

best hikes in Germany 2020 Kleine Schofheide
Frank’s favorite hike of 2020 – through the Kleine Schorfheide

More favorite hikes of 2020

Nach einer Weile modifizierte ich das Prinzip, nun starteten alle Teilnehmer innerhalb eines verlängerten Wochenendes und ihre Etappenstarts und –ziele waren vorgegeben, es durfte aber zumindest der Routenvorschlag dazwischen variiert werden. So haben wir kürzlich in zwei Events den europäischen Fernwanderweg E11 gemeinsam auf einer Strecke von 800 Kilometern von Polen aus bis nach Westdeutschland absolviert. Im Sommer letzten Jahres wurde nach diesem Prinzip sogar eine Staffelwanderung über 3500 Kilometer quer durch Deutschland, bei der ich einer von 7 Organisatoren war, veranstaltet.

Nach zwei Jahren der Staffelwanderungen hoffe ich allerdings, dass ich bald wieder mit den von mir organisierten Gruppenwanderungen neu im monatlichen Rhythmus durchstarten kann.

Digitalisierung im Wanderbereich

Persönlich ist es mir lieber, mit Karte oder Buch zu wandern. Bisher habe nicht viel Erfolg, komoot zu nutzen. Wie ist das für Dich? Nutzt Du es hauptsächlich um Deine Wege aufzunehmen oder auch zum Wandern?

Ich habe natürlich in meiner Ausbildung gelernt, mit Karte und Kompass zu navigieren und zumindest der Kompass ist immer als ‚Maskottchen‘ in meinem Rucksack dabei, ab und zu auch eine Detailkarte der Region, in der ich unterwegs bin. Auch wenn ich das Erlernen der Prinzipien der ‚analogen Navigation‘ handwerklich für wichtig halte, sehe ich es inzwischen nur noch als ‚verklärte Wanderromantik‘ an, die in der heutigen Realität keine Rolle mehr spielt. Wanderbücher lese ich sehr gerne, für mich sind sie aber eher ein Appetitanreger oder eine Inspirationsquelle als eine direkte Anleitung für die Streckenfindung unterwegs.

interview Frank Meyer

Ich benutze seit vielen Jahren das Smartphone mit der komoot-App und dem vorab heruntergeladenen digitalen Kartenausschnitt zur Navigation, was meist einwandfrei und problemlos funktioniert. Wichtig sind trotzdem Backups: eine Powerbank zum Nachladen des Akkus gehört ebenso in den Rucksack wie eine zweite Navigations-App auf das Smartphone. Als autarkes Fallback-System habe ich ebenfalls eine Garmin -Sportuhr dabei, die mir bei Bedarf gleichzeitig die Route und die genaue Position auf der Karte anzeigt.

Mit komoot ist man in der Lage, die komplette Planung, Navigation und Dokumentation innerhalb einer Plattform zu bewerkstelligen, was ich für einen riesigen Vorteil halte. Außerdem nutze ich sehr gerne die Communityfunktionen von komoot für Wandereinladungen und um Events zu organisieren und anzukündigen.

Hast Du Lieblingswanderwege oder -gebiete in Berlin/Brandenburg?

Schwierige Frage … da gibt es einfach zu viele. Am spannendsten finde ich natürlich Gegenden, die touristisch noch kaum entdeckt sind. Kürzlich war ich etwa wieder in der idyllischen Calauer Schweiz im südlichen Brandenburg unterwegs. Besonders gut gefallen hat mir im letzten Jahr der Wummsee an der Grenze zu Mecklenburg-Vorpommern, um den der neuste brandenburgische ‚Qualitätsweg Wanderbares Deutschland‘ führt. Immer wieder schön sind auch Gebiete mit saisonalen Highlight wie etwa rund um die Blüte der seltenen Adonisröschen in den Oderhängen bei Lebus und Mallnow im Osten an der Grenze zu Polen.

Empfehlen kann ich natürlich auch immer wieder als Region den Hohen Fläming, in dem ich ja selbst als Wanderführer einem Verein, dem Märkischen Wanderbund, angehöre.

Machst Du auch Wanderurlaub? Oder hast Du genug davon im Alltag?

Durch meine Arbeit als selbstständiger Programmierer ist es für mich schwierig, längere Urlaube vorauszuplanen. Dafür kann ich aber immer mal wieder gut einen Werktag kurzfristig zum Wandern nutzen, wenn die Kundenprojekte es zulassen. Insofern gilt mein Hauptinteresse weiterhin dem weiten Radius um Berlin, wobei ich aber inzwischen auch häufiger weiter entfernte Wanderungen als Tagestouren absolviere wie erst vor ein paar Tagen wieder im Harz oder kürzlich im Gartenreich Dessau-Wörlitz.

interview Frank Meyer

Gibt es noch etwas was Du sagen/erzählen möchtest über Dich, Wandern, oder das Wandern in Brandenburg?

Im Prinzip lautet mein banales Wandermotto: ‚Einfach mal machen!‘ Sehr oft höre ich im Bekannten- und Freundeskreis, eine Tour sei zu lang, zu weit weg oder zu schwer erreichbar, um sie anzugehen. Wenn man es wirklich will und auch etwas Disziplin besitzt, klappt fast jede Tour und wird zum Erfolg. Natürlich ist es nie verkehrt, einen Plan B griffbereit parat zu haben. Gerade bei spontanen Tagestouren ist es aus meiner Sicht wichtig, den Kopf dafür frei zu haben und sich für den Tag vollkommen auf den Einklang mit der Natur einzulassen. Dazu gehört natürlich auch, spätestens zu Beginn der Tour mit dem Smartphone offline zu gehen und maximal GPS eingeschaltet zu lassen. In diesem Sinne: Viel Spaß und ‚Keep on Hiking in a Free World!‘

Hat dieses Interview mit Frank Meyer Dir gefallen? Du kannst mehr über Franks Wanderungen durch Berlin und Brandenburg durch seiner komoot profile oder von seiner Website Wandern-Berlin-Brandenburg finden. Oder geh einfach mit ihm aufs Tour mit dem Märkischen Wanderbund.

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